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Promotionsprojekte
© Yifan Zhu

tRNA-Thioepi­tran­skrip­tom: eine neue Ebene der Trans­la­ti­ons­kon­trolle in der Gefäßentwicklung

Yifan Zhu – Hector RCD Awardee Sofia-Iris Bibli

Trans­fer-RNAs (tRNAs) sind ein wichti­ger Bestand­teil der Trans­la­ti­ons­ma­schi­ne­rie und neuere Studien haben eine Reihe von Mutatio­nen in Enzymen vorge­schla­gen, die an der Modifi­ka­tion von tRNAs betei­ligt sind, die mit mensch­li­chen Krank­hei­ten in Verbin­dung gebracht werden. Aller­dings sind unsere Kennt­nisse über mensch­li­che tRNA-Modifi­ka­tio­nen lücken­haft, und die umfas­sendste tRNA-Modifi­ka­ti­ons­da­ten­bank enthält Infor­ma­tio­nen zu nur 20 % der mensch­li­chen tRNA-Modifi­ka­tio­nen. Inter­es­san­ter­weise wurde festge­stellt, dass tRNA-Thiolie­rung, die aus der intra­zel­lu­lä­ren Schwe­fel­mo­bi­li­sie­rung resul­tiert, die Prote­in­trans­la­tion in Bakte­rien und Hefen reguliert und ihre Reaktion auf Hitzestress bestimmt. Ob ein ähnli­cher Mecha­nis­mus auch beim Menschen auftritt, ist noch nicht bekannt. Dieser Vorschlag soll die Hypothese unter­su­chen, dass schwe­fel­hal­tige Amino­säu­ren im Mikro­mi­lieu mensch­li­cher Endothel­zel­len die tRNA-Thiolie­rung bestim­men, die wiederum die Trans­la­ti­ons­ma­schi­ne­rie während der Gefäß­ent­wick­lung reguliert. Die Ziele sind, das tRNA-Thio-Epitran­scrip­tom erstmals zu kartie­ren, Schwe­fel­mo­bi­li­sie­rungs­wege zu identi­fi­zie­ren, zu bestim­men, ob Thiomo­di­fi­ka­tio­nen die Trans­la­ti­ons­ma­schi­ne­rie und die Codon-Verzer­rung oder tRNA-Fragmen­tie­rungs­pro­zesse beein­flus­sen, und die dynami­sche Kontrolle der tRNA-Thiolie­rung mit der Endothel­zell­pro­li­fe­ra­tion zu verknüp­fen. Sollte sich die Hypothese als richtig erwei­sen, hat sie das Poten­zial, das Thio-Epitran­scrip­tom in den Mittel­punkt epitran­scrip­tom­ge­stütz­ter Thera­pien gegen übermä­ßi­ges Gefäß­wachs­tum bei mensch­li­chen Krank­hei­ten zu stellen.

Die Prote­in­syn­these verbraucht enorme Mengen an Energie und muss streng reguliert werden. Zahlrei­che zellu­läre Mecha­nis­men sind an der Regulie­rung der Trans­la­tion betei­ligt, und spezi­fi­sche Modifi­ka­tio­nen von RNA (das Epitran­skrip­tom) sind bei verschie­de­nen Spezies hochkon­ser­viert. Unser Verständ­nis der biolo­gi­schen Regula­tion und der Rolle des Epitran­skrip­toms ist begrenzt, aber es ist klar, dass dynami­sche Modifi­ka­tio­nen der RNA eine neue Kontroll­schicht der geneti­schen Infor­ma­tion darstel­len. In einer mensch­li­chen Zelle sind zig Millio­nen RNA-Transkripte vorhan­den, und tRNA ist die am stärks­ten modifi­zierte RNA-Spezies mit durch­schnitt­lich 13 Modifi­ka­tio­nen pro Molekül. Solche Verän­de­run­gen sind erfor­der­lich, um das korrekte Falten der tRNAs sicher­zu­stel­len, die Konfor­ma­tion der tRNA-Antic­odon­schleife zu stabi­li­sie­ren, die Inter­ak­tio­nen mit Aminoa­cyl-tRNA-Synthe­ta­sen zu erleich­tern und das Decodie­ren sowie die Riboso­men­ver­ar­bei­tung zu modulie­ren. Bishe­rige Studien konzen­trier­ten sich auf Bakte­rien und Hefen, die ausge­klü­gelte Wege entwi­ckelt haben, um die Trans­la­tion in Reaktion auf Nährstoffe zu regulie­ren. Zumin­dest in diesen Organis­men sind die häufigs­ten Modifi­ka­tio­nen die de novo Synthese von Schwe­fel, die für die Thiolie­rung von tRNAs erfor­der­lich ist. Dieser faszi­nie­rende Mecha­nis­mus wurde bei höher entwi­ckel­ten Organis­men bisher nicht unter­sucht. Eine poten­zi­elle Quelle hochre­ak­ti­ver Schwe­fel­ver­bin­dun­gen für die tRNA-Modifi­ka­tion in Säuger­zel­len ist der Stoff­wech­sel schwe­fel­hal­ti­ger Amino­säu­ren. Unter diesen wurde Cystein mit dem Schwe­fel­trans­fer und einer posttrans­la­tio­na­len Modifi­ka­tion namens Persul­fi­die­rung oder S‑Sulfhydration in Verbin­dung gebracht, die für die Aufrecht­erhal­tung der vasku­lä­ren Homöo­stase verant­wort­lich ist. Vasku­läre Homöo­stase und der Übergang von ruhen­den zu proli­fe­ra­ti­ven Phäno­ty­pen sind ein inter­es­san­tes Thema in Zustän­den, bei denen die Gefäß­re­pa­ra­tur für die Resili­en­z­me­cha­nis­men des Organis­mus nach Verlet­zun­gen (z. B. ischä­mi­sche Insulte) von Bedeu­tung ist, sowie bei verschie­de­nen mensch­li­chen Krank­hei­ten mit erhöh­ter angio­ge­ner Kapazi­tät (z. B. Krebs). Obwohl gezeigt wurde, dass Signal­mo­le­küle und Wachs­tums­fak­to­ren die komple­xen morpho­ge­ne­ti­schen Ereig­nisse der Blutge­fäß­neu­bil­dung regulie­ren, sind die Mecha­nis­men der Prote­in­syn­the­se­kon­trolle bisher kaum unter­sucht. Ob die Modifi­ka­tio­nen der tRNAs und die Darstel­lung von tRNA-Isoak­zep­to­ren die Prote­in­syn­these und Teilung von Endothel­zel­len regulie­ren, ist unklar. Hierin stellen wir die Hypothese auf, dass schwe­fel­hal­tige Amino­säu­ren im mensch­li­chen Gefäß­sys­tem die Quelle eines neuar­ti­gen, die Trans­la­tion regulie­ren­den Codes sind, den wir als Thio-Epitran­skrip­tom bezeich­nen. Zu verste­hen, ob die Mobili­sie­rung von Schwe­fel aus schwe­fel­hal­ti­gen Amino­säu­ren Auswir­kun­gen auf tRNA-Thiomo­di­fi­ka­tio­nen und anschlie­ßend auf die Genex­pres­sion haben kann, ist ein bisher unerforsch­tes Thema, das poten­zi­ell eine bedeu­tende Rolle bei der Anpas­sung von Zellen an ein bestimm­tes Mikro-Umfeld spielen könnte.

tRNA-Thioepitranskriptom: eine neue Ebene der Translationskontrolle in der Gefäßentwicklung

Dieses Projekt wird die Hypothese unter­su­chen, dass der Stoff­wech­sel von schwe­fel­hal­ti­gen Amino­säu­ren die zellu­lä­ren Spiegel von freiem Sulfid bestimmt, um die Trans­la­tion über tRNA-Thio-Modifi­ka­tio­nen zu verän­dern. Ein solcher Mecha­nis­mus könnte den Prote­in­kom­plex durch verän­der­ten zellu­lä­ren Schwe­fel­fluss feinjus­tie­ren und ist mögli­cher­weise bei der Zelltei­lung von Bedeu­tung. Wir planen, uns auf das Säuge­tier­sys­tem zu konzen­trie­ren, um: 1) die Positio­nen der thiolier­ten Nukle­oside in tRNAs zu identi­fi­zie­ren, 2) die Quelle des Schwe­fels, der letzt­lich zur Thiolie­rung führt, zu bestim­men und die Mecha­nis­men der dynami­schen Kontrolle von tRNA-Thio-Modifi­ka­tio­nen zu unter­su­chen, und 3) festzu­stel­len, ob Thio-Modifi­ka­tio­nen die Trans­la­ti­ons­ma­schi­ne­rie sowie das codon­ab­hän­gige Verhal­ten oder die tRNA-Fragmen­tie­rung beein­flus­sen. Jedes dieser Ziele soll Infor­ma­tio­nen liefern, die erfor­der­lich sind, um das Thio-Epitran­skrip­tom als eine neue Ebene der Trans­la­ti­ons­kon­trolle zu etablie­ren, die poten­zi­ell die Gefäß­ho­möo­stase und Krank­hei­ten beeinflusst.

Florent Draye

Yifan Zhu

Univer­si­tät Heidelberg

Betreut durch

Jun.-Prof. Dr.

Sofia-Iris Bibli

Biolo­gie & Medizin

Hector RCD Awardee seit 2022